Donnerstag, 12. April 2012

Atomausstiege in Europa

Der Atomausstieg in Deutschland ist seit einigen Monaten beschlossene Sache. Das letzte AKW soll 2022 vom Netz gehen, die ältesten sieben sind heute schon abgeschaltet. Doch wie sieht es eigentlich in unseren Nachbarstaaten aus? Etwa in der Schweiz, Österreich, Italien oder Frankreich? Eine Übersicht:

Italien ist als eines der wenigen europäischen Ländern bereits vollständig aus der Kernernergie ausgestiegen: Die Bürger entschieden bereits 1987 – kurz nach dem Reaktor-Unglück von Tschernobyl – per Referendum, alle vier Atomkraftwerke des Landes abzuschalten. Mitte 2011 veranlasste der damalige Staatspräsident Silvio Berlusconi ein Referendum über den Wiedereinstieg in die Atomenergie. Die Bürger stimmten jedoch mit 95% dagegen und erteilten Berlusconi damit eine klare Absage.

Der Fall Österreich ist noch kurioser: Eine Volksabstimmung bedeutete 1987 das Aus für Österreichs erstes, bereits gebautes – aber noch nicht in Betrieb genommenes – Kernkraftwerk in Zwentendorf. Seitdem wurde in Österreich auch kein Atomkraftwerk mehr gebaut. Allerdings importiert Österreich bis heute Atomstrom aus den Nachbarländern.

Das nie in Betrieb genommene AKW Zwentendorf (Bild: Wikimedia / ChNPP) 

Die Schweiz folgte Deutschland vor noch gar nicht so langer Zeit in den Ausstieg nach. Erst Mitte 2011 – nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima – beschloss der Ständerat das Ende der Kernenergie in der Schweiz. Das letzte Atomkraftwerk soll allerdings erst 2034 vom Netz gehen, und absolut wasserdicht gegen den Bau neuer Kernkraftwerke ist das Gesetz auch nicht – sollten neue Techniken verfügbar sein, soll der Bau neuer Kraftwerke geprüft werden dürfen.

Proteste in der Schweiz gegen Atomenergie 2010 (Bild: Wikimedia / Ch-info.ch) 

Im Gegensatz dazu bezieht Frankreich 75% seines Stromes aus Kernenergie. Nach Fukushima verkündete Staatschef Nicholas Sarkozy, die Kernenergieverwedung nicht zu überdenken. Allerdings wurden alle 58 Reaktoren einem Stresstest unterzogen: Bei allen wurde zum Teil erhebliche Sicherheitsmängel festgestellt, die nun nachgebessert werden sollen. Allerdings haben sich in einer Umfrage Mitte 2011 immerhin 62% der Franzosen für einen Atomausstieg in den nächsten 25 bis 30 Jahren ausgesprochen, nach der Meinung von weiteren 15% kann es ruhig auch schneller gehen. Wegen der hohen Versorgungsquote durch Kernenergie dürfte ein Atomausstieg für Frankreich aber erheblich schwieriger werden als für Deutschland. Man darf also gespannt bleiben!

Oliver Bernasconi

Montag, 2. April 2012

Radfahren mal anders – Critical Mass

Eine kritische Masse (engl.: „Critical Mass“) beschreibt eigentlich die Menge an spaltbarem Material, die von allein eine Kettenreaktion aufrecht erhalten kann. Bei Uran sind das übrigens 16,5 Kilo. Doch was hat Uran mit Radfahren zu tun? Eher weniger. Die kritische Masse dafür um so mehr. Aber der Reihe nach:

Alle Radfahrer kennen das Problem: Man spielt meist nur die zweite oder gar dritte Geige im Straßenverkehr – hinter Lastwagen, Bussen und PKW. Auf den Straßen schieben sich anonyme Blechlawinen herum. Straßen sind kein sozialer Ort mehr, kein Ort der Begegnung. Doch es regt sich kreativer Widerstand. Genauso wie France éocotours etwa mit der Paris à vélo-Radreise die Straßen von Paris zurückerobert, treffen sich in immer mehr Menschen in immer mehr Städten auf der Welt, um gemeinsam Rad zu fahren.

Critical Mass in Prag (Bild: Wikimedia / Hynek Moravec)

Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht: Ziel der Teilnehmer ist es nicht, den Verkehr zu behindern – sie sind der Verkehr! Und was unterscheidet eine Critical Mass jetzt von einer Fahrrad-Demo? Auf ihrer Webseite beschreibt sich die Kölner Critical Mass selbst so: „Die Stimmung ist freundlich und entspannt. Es gibt keine formelle Organisation oder Route. Wir sind einfach ein bunter Haufen von Leuten, die durch die Stadt fahren. Während der Tour wird geplaudert und diskutiert. Es entstehen auch Gespräche mit Fußgänger_innen und Autofahrer_innen. Die Idee ist, die Straßen mit Radler_innen, zu überfluten, sodass sich eine sanft verkehrende Masse auf der Straße bewegt. Das macht die Straße sicher, ruhig, weniger verschmutzt und einladend für alle. Durch die Critical Mass wird die Straße für kurze Zeit wieder zu einem öffentlichen Lebensraum.“

Kreative Mobilisierung für eine Critical Mass in Budapest (Bild: Wikimedia / CMD) 

Die Critical Masses finden in Köln regelmäßig statt. Aber nicht nur dort – eine ausführlichere Liste gibt es im entsprechenden Artikel auf Wikipedia. Und auch in Frankreich starten die ersten Critical Masses – und da sogar bis ins letzte Eckchen. So findet im Juli gleich ein dreitätiges Festival zum Thema Fahrrad und Autofreiheit statt. Aber nicht etwa in Paris, sondern in der tiefsten Bretagne, direkt am Meer: in Concarneau. Die Kampagne heißt liebevoll „velorution universelle“, zu deutsch „Allumfassende Fahrrad-Revolution“. Wünschen wir ihr und allen anderen „Velorutionären“ viel Glück, damit Frankreich noch grüner und schöner wird, als es ohnehin schon ist!

Oliver Bernasconi